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Näherung


Mit der Hängung des Altarkreuzes hat sich der Kirchenvorstand mehrere Male intensiv beschäftigt: Ist das vorhandene Bronzekreuz für die große Altarwand im Neubau zu klein? Sollte man es an ein größeres Kreuz hängen, um es optisch zu vergrößern? Könnte dieses Kreuz frei stehen? Oder ebenfalls an der Wand hängen? Und muss das Kreuz eigentlich in der Mitte hinter dem Altar stehen oder hängen oder "funktioniert" es auch asymmetrisch? Schon der alte Kirchenvorstand hatte sich mit dieser Frage beschäftigt und dazu sogar die liturgische Beratung der Landeskirche in Anspruch genommen. Denn es geht ja nicht um irgendein dekoratives Schmuckstück, das dort an die Wand gehängt wird, sondern um das zentrale Symbol des Christentums, in dem sich so viel abbildet vom Leid des Gekreuzigten bis zur Hoffnung der Auferstehung. Und das daher eine zentrale Position in jedem Kirchenraum auf dieser Erde einnimmt. Je länger man darüber nachdenkt, umso schwieriger wird das, und je länger man darüber spricht, umso klarer wird, dass auch die Einstellung und Beziehung jedes Einzelnen zum Kreuz im Kirchenraum anders ist.

Es gab schlussendlich - im neuen Kirchenvorstand - eine Entscheidung, das Kreuz so zu lassen wie es ist und zukünftig außermittig zu hängen. Dafür gibt es Gründe, die mit Liturgie oder Theologie erstmal gar nichts zu tun haben. Ästhetische Gründe etwa - in der mittigen Position wirkt es einfach zu klein auf der großen Wand, während die asymmetrische Hängung eine eigene Spannung in den Proportionen mit sich bringt. Es gibt aber auch eine funktionale Begründung, denn eine Bildprojektion, die ja auch außerhalb der Gottesdienste zu mitunter ganz profanen Themen möglich sein muss, wollen wir ohne Leinwand auf der weißen Wandfläche ermöglichen, die wir so in ausreichender Größe haben, ohne das Kreuz abhängen zu müssen. Es führt dann aber auch zu einer neuen Interpretation des Kreuzes, das zukünftig nicht der alleinige Fokus des Kirchenraums sein wird, sondern das im Dialog mit den verschiedenen Ausstattungsgegenständes des Altarraums gesehen werden kann, dem davor stehenden Taufstein, der Osterkerze daneben, der Kanzel auf der gegenüberliegenden Seite des Altarraums und natürlich dem Altar selbst. Und dennoch wird es über allem hängen.

Soweit das Ergebnis langer Diskussionen, aber nun nähern wir uns dem Punkt, an dem die Maueranker an der richtigen Stelle eingebaut werden müssen, denn mit zwei Dübellöchern ist es in Anbetracht des Gewichts des Bronzekreuzes nicht getan. Und schon geht die Unsicherheit wieder los: Ein bisschen weiter rechts oder links, doch etwas höher oder tiefer? Also einfache Näherung in Form eines Papierausdrucks, den wir etwas höher oder tiefer, weiter rechts oder links hängen können, bevor die Ankerlöcher gebohrt werden. Leiter, Tesakreppröllchen hinter das Papierkreuz und einfach mal nach Gefühl irgendwie an die Wand geklebt. Und: Passt. Erstaunlich, aber nach all den Diskussionen war unser Empfinden, dass wir keinen Zentimeter höher oder tiefer, weiter nach links oder rechts gehen sollten. Und dass das kleine Kreuz auf der großen Wand überhaupt nicht zu klein sondern beeindruckend klar wirkt. Lange Diskussionen und nun auf Anhieb eine Lösung wie sie sein soll. Besonders gefällt mir die Näherung beim Gang durch die Hochzeitspforte. Das Kreuz ist von Anfang an sichtbar, bekommt aber beim Weitergehen immer mehr Präsenz. Und in echt statt auf Papier wird es schließlich auch noch etwas funkeln.

L E T Z T E   B E I T R Ä G E
K A T E G O R I E N
S T I C H W O R T
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